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Die Macht der Musik

    Einige der Lieder, die im Evangelischen Gesangbuch stehen, hat der Reformator Martin Luther geschrieben. Der war nämlich nicht nur Theologe, sondern auch ein leidenschaftlicher Musiker. Einem Lied ist sogar ein Kirchenfenster in Bockenheim gewidmet. Von Timo Benß

    Martin Luther war nicht nur Theologe. Bereits als Jugendlicher bekam der Reformator Unterricht in Musiktheorie und lernte ein Instrument: die Laute. Auf diesem Instrument begann er während seines Studiums, Lieder zu schreiben. An der Universität in Erfurt studierte Luther neben der Theologie auch Gesang und Kontrapunkt. „Die Musik ist eine Gabe und ein Geschenk Gottes; sie vertreibt den Teufel und macht die Menschen fröhlich“, ist von Luther überliefert.

    Eines seiner berühmtesten Lieder ist „Ein feste Burg ist unser Gott“. Dem Choral ist übrigens auch eines der Kirchenfenster in der Bockenheimer Lambertskirche gewidmet. „Das Wort sie sollen lassen stahn“, steht dort geschrieben, der Anfang der vierten Strophe. Heinrich Heine bezeichnete „Ein feste Burg ist unser Gott“ als die „Marseillaise der Reformation“.

    Die Macht der Musik erkannte Luther und nutzte sie für die Reformati- onsbewegung. In den Vorworten seiner Gesangbücher schrieb er meist, Musik sei ein wirksames Mittel gegen „Zorn, Zank, Hass, Neid, Geiz, Sorge, Traurigkeit und Mord“. Luther selbst soll übrigens auch eine klangvolle Stimme gehabt haben. Hans Sachs, Meistersinger aus Nürn- berg, nannte Luther sogar die „Wittenberger Nachtigall“.

    In der alten Messe vor der Reformation sang nur der Pfarrer – und das auf Latein. Die Gemeinde war mehr oder weniger nur Zuschauer des gottesdienstlichen Handelns. Bei den Protestanten wurde die singende Gemeinde etabliert.

    Doch das äußerte sich nicht nur im Gottesdienst, wie einige Beispiele aus der Geschichte zeigen: In Schweinfurt wurde 1532 ein katholischer Priester von Protestanten regelrecht niedergesungen. Während einer Messe sollen sie so lange „Ein feste Burg“ gesungen haben bis der Priester aufgab. In Göttingen sollen protestantische Handwerker eine Fronleichnamsprozession aufgemischt haben, indem sie lautstark „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“ grölten. Zu stop- pen waren die protestantischen Sänger kaum: 1533 hat der Bürger- meister im ostwestfälischen Lemgo seine Ratsdiener losgeschickt, um die Sänger zur Ordnung zu rufen. Das gelang jedoch nicht. Die Ratsdiener kamen lediglich resigniert mit der Meldung zurück: „Sie singen alle.“

    Heute steht das gemeinsame Singen auch im Zeichen der Ökumene. Auch in der katholischen Kirche singt die Gemeinde heute die meisten Gesänge. Viele der bekanntesten christlichen Lieder stehen sowohl im katholischen Gesangbuch „Gotteslob“, als auch im Evangelischen Gesangbuch. Sogar einige Lieder von Martin Luther lassen sich im „Gotteslob“ finden. In beiden Büchern kennzeichnet ein kleines „ö“ hinter der Liednummer, dass der Text von beiden Konfessionen getragen wird.

    Eines der bekanntesten Lieder, die Martin Luther geschrieben hat, ist „Vom Himmel hoch, da komm ich her“. Dieser Choral gehört zu den Lieblingsliedern von Johann Sebastian Bach. Es ist die von ihm am meisten vertonte Melodie. Bach war ein überzeugter Lutheraner, der insgesamt 30 Luther-Lieder musikalisch bearbeitet hat. Aber auch bei seinen anderen Werken zeigte er Flagge: Unter jede Notenausgabe seiner Stücke schrieb er „S.D.G.“, die Abkürzung für „Soli Deo gloria“. Das lässt sich in etwa übersetzen mit „allein Gott zur Ehre“.

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