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Kirchenmusik

An keiner einzigen Stelle der Bibel ist die Rede von einer Orgel. Und dennoch ist das Instrument aus unserem Gottesdienst nicht wegzudenken. Doch warum ist es ausgerechnet der Klang der Orgel, der wie kein anderer für die Kirche und das Göttliche steht?

Das Prinzip, dass Luft in verschiedene Pfeifen gelenkt wurde, gab es bereits in der Antike. Die ersten Orgeln hießen Hydraulis, auch Wasserorgel wurden sie genannt. Wasser sorgte dort für einen konstanten Luftdruck. Bis die Orgel es in die Kirche geschafft hatte, dauerte es aber noch eine ganze Weile. Zunächst wurden sie nämlich – ganz unchristlich – bei Gladiatorenkämpfen eingesetzt, weil sie mit ihrer Lautstärke eine ganze Arena beschallen konnten.

In unserem heutigen Bockenheim gibt es zwar keine Gladiatorenkämpfe mehr, aber laut mussten Orgeln trotzdem sein, um die Lambertskirche und die Martinskirche mit ihrem Klang zu füllen in einer Zeit, in der es noch keine elektrische Beschallungstechnik gab. Es sind vor allem praktische Gründe, warum man die Orgel in der Kirche eingesetzt hat. Heute ist das etwas anders. Die Orgel selbst hat oft einen sakralen Charakter, Orgelmusik wird fast immer mit Kirche in Verbindung gebracht.

Und vielseitig ist die Orgel: Mit verschiedenen Registern, also Klangfarben, kann man ganz eigene Klangwelten schaffen, indem man sie mischt. Die Vielfalt an Registern ist in Bockenheim sehr groß: Zum einen gibt es eine barocke Orgel in der Martinskirche mit lautem Zungen-Register, zum anderen haben wir eine schöne spätromantische Walcker-Orgel in der Lambertskirche. In Bockenheim sind große Teile der Orgelbaugeschichte noch heute hörbar.

Berühmte Orgelbauer

Viele berühmte Orgelbauer haben in der Region gewirkt. Der Dürkheimer Orgelbauer Augustinus Hartung (1677–1739) und sein Sohn Johann Michael Hartung (1708–1763) gehören zu den älteren Meistern, deren Instrumente noch zu hören sind – wenn auch oft nicht mehr viel davon übrig blieb. Auch die Orgel in der Martinskirche ist vermutlich einmal eine Hartung-Orgel gewesen. Der berühmte Orgelbauer Johann Michael Stumm (1683–1747) aus Rhaunen-Sulzbach im Hunsrück, der seine Spuren in Mühlheim hinterlassen hat, hat die Firma gegründet, die unsere Martinskirchenorgel im Jahr 1813 umgestaltet hat. Die äußere Form ist bis heute erhalten.

Die Barockzeit hat sich – im Orgelbau – fließend zur Romantik entwickelt. Zu den bekanntesten Orgelbauern der Deutschen Romantik gehört Eberhard Friedrich Walcker (Ludwigsburg), dessen Nachfolger 1925 die Orgel der Lambertskirche gebaut haben. Das spätromantische Instrument sticht vor allem durch seine vielfältigen Klangfarben hervor. Zarte Streichregister erinnern an ein Orchester, die Flöten sind durchaus solistisch einsetzbar. Also kurz: Man kann hier wirklich gut Musik machen. Schon im Jahresbericht der Kirchengemeinde von 1925, dem Jahr, in dem sie am Karfreitag, 10. April, eingeweiht wurde, heißt es: „Die Gemeinde Großbockenheim hat eine Orgel erhalten, welche nicht nur den gottesdienstlichen Bedürfnissen vollauf genügt, sondern zugleich auch als Konzertinstrument gesteigerte Ansprüche befriedigen kann.“

Orgeln gibt es überall

Es gibt Orgeln, die besonders viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Cavaillé-Coll-Orgel von St. Sulpice in Paris zum Beispiel, oder die Domorgel in Passau. Doch noch viel bemerkenswerter ist, dass die Orgel ein Instrument ist, das es in fast jeder Kirche gibt. Auch in Bockenheim gibt es mindestens drei Pfeifenorgeln: In der Lambertskirche, der Martinskirche und der katholischen Kirche St. Lambertus. 

Die Orgel der Lambertskirche wurde 1925 von der Firma Walcker aus Ludwigsburg gebaut. Sie hat zwölf Register auf zwei Manualen und pneumatische Kegelladen.

Die Registerwippen sind – typisch für Walcker – weiß, rosa und grün gefärbt. Weiß steht für die Register des Hauptwerks, Rosa für das Schwellwerk und Grün für das Pedal. Die Koppeln folgen dem Prinzip: Will man ein Register des Hauptwerks im Pedal spielen, klappt man etwa den weiß-grünen Schalter um. 

Mit den Koppeln kann man noch ganz andere Dinge anstellen, es gibt nämlich eine Oktavkoppel, mit der man die Register des Schwellwerks um eine Oktave nach unten versetzt in das Hauptwerk koppeln kann. Somit kann man etwa mit vollflächigen Streichregistern sphärische Klänge erzeugen, die sich romantisch-verklärt in den sonst eher schlicht-protestantischen Kirchraum einfügen. Unterstützt wird das durch das Register „Vox coelestis“, was man mit „Stimme des Himmels“ übersetzen kann. Dieses Register ist bewusst leicht verstimmt, um einen schwebenden Klang zu erzeugen. Ideal ist das etwa für die musikalische Begleitung des Abendmahls.

Auch die Flöten sind vielseitig einsetzbar. Die Hohlflöte im Hauptwerk etwa ist sehr nah an einer echten Flöte, sie spricht zudem sehr schnell an, was auch schnellere Läufe ermöglicht. Das Lieblich Gedeckt im Schwellwerk ist hingegen sehr massiv und als Basis sehr gut geeignet.

Für Konzerte geeignet

Insgesamt ist das Instrument für seine Größe durchaus konzertant einsetzbar. Schon im Jahresbericht der Kirchengemeinde von 1925, dem Jahr, in dem sie am Karfreitag, 10. April, eingeweiht wurde, heißt es: „Die Gemeinde Großbockenheim hat eine Orgel erhalten, welche nicht nur den gottesdienstlichen Bedürfnissen vollauf genügt, sondern zugleich auch als Konzertinstrument gesteigerte Ansprüche befriedigen kann.“

Eine Besonderheit bei der Walcker-Orgel ist die Crescendo-Walze. Mit ihr kann man stufenweise die Register nacheinander zuschalten. Ihren eigentlichen Zweck, damit langsam die Dynamik zu steigern, kann sie bei zwölf Registern zwar quasi nicht erfüllen. Zu unkontrolliert schalten sich die Register hierbei hinzu. Aber die Walze kann durch den Absteller hinzugeschaltet werden, wodurch man sozusagen eine feste Kombination hat, mit der man sich eine Registrierung vorprogrammieren kann. Beispielsweise, wenn man im Gottesdienst nach einem leisen Vorspiel schnell in eine lautere Registrierung zum Begleiten der Gemeinde wechseln will.

Manchmal kommt es vor, dass man sich während des Spielens beim Registrieren verrennt. Man probiert auch mal ungewöhnliche Kombinationen aus – was ja oft auch gut ist. Aber hin und wieder kommt man da in eine Sackgasse und muss schnell wieder zu einem Klang wechseln, bei dem die Gemeinde gut mitsingen kann – darum geht es ja eigentlich. Da kommt der Knopf mit der Aufschrift „MF“, also mezzoforte, ganz gelegen. Wenn man diesen Knopf drückt, ist man gerettet. Es ist quasi die Standardeinstellung für Gemeindebegleitung. Gut, dass es ihn gibt. 

Und wenn’s mal laut werden muss, ist direkt daneben der „Tutti“-Knopf. Mit ihm zieht man sprichwörtlich alle Register. 

Die einstige Hartung-Orgel in der Martinskirche von 1710 wurde 1813 mit historischer Substanz wiederhergestellt durch die Gebrüder Stumm. 1967 hat die Firma Oberlinger das Instrument umgebaut. Sie hat zwölf Register auf einem Manuel und mechanische Schleifladen.

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