Zum Inhalt springen

Martinskirche

In der Martinskirche im Schlossweg 10 gibt es 260 Sitzplätze. Signifikant ist der freistehende Kirchturm aus dem 13. Jahrhundert, der 1518 instand gesetzt wurde. Um 1700 wurde die Innenausstattung barockisiert. Die jetzigen Glocken der Martinskirche kommen aus dem Jahre 1949 von der Gießerei Junker, Brilon (1 fis’+5 ; 2 a’+6, 3 h’+2 ). Sie gehören jedoch zu einer Kirche, die es längt nicht mehr gibt.

Ohne jeden Zweifel ist die Martinskirche heute eines der Wahrzeichen Bockenheims. Und unter den alteingesessenen Kleinbockenheimern gilt sie als „ihre“ Kirche – auch, wenn es schon lange nur eine Kirchengemeinde für Bockenheim gibt. Doch dass die Martinskirche einmal für Kleinbockenheimer Eigenständigkeit stehen könnte, galt noch vor 500 Jahren als undenkbar – im Gegenteil.

Wir springen zurück ins Jahr 1196. Hier schenkt Lucarde von Saarbrücken, eine gebürtige Gräfin von Leiningen, dem Kloster Wadgassen das Patronat von St. Michael zu Bockenheim, die erste urkundliche Erwähnung der Kirche. Eine Michaelskirche gibt es in Bockenheim aber heute nicht mehr. Das liegt an einem über 750 Jahre alten Korruptionsskandal, den die Heimatforscherin Angelika Tröscher (1934–2000) in einem Aufsatz beschreibt. Die Masche des Klosters laut Tröscher: Kleinere Kirchen wurden nicht mehr renoviert und das Personal eingespart. Die Einkommen zum Unterhalt der Kirche und das Geld für die Pfarrerbesoldung wurden dennoch einkassiert und nach Wadgassen gebracht. 1266 wurde die Kirche letztmals erwähnt, dann nie wieder.

Der Name für den Kleinbockenheimer Kirchenhügel „Drinkirchen“ deutet darauf hin, dass im Ort drei Kirchen gestanden haben. Und so war es auch: Der Turm, der neben der Martinskirche steht, gehörte nämlich ursprünglich zu einem anderen Gotteshaus: der Marienkirche. Auch diese gibt es heute nicht mehr, denn sie wurde 1833 abgerissen, laut Tröscher „für ein paar lumpige Gulden“.

Viele Ortsteile in Bockenheim

Bockenheim bestand im Mittelalter aus mehreren Ortsteilen, die mehr oder weniger eigenständige Orte waren. Neben Großbockenheim und Kleinbockenheim gab es auch noch den Mittelhof, den wahrscheinlich ältesten Ortsteil, der sich im Gebiet rund um die Klosterschaffnerei befand. Die Kirche des Mittelhofs war die Martinskirche. Als Kleinbockenheim entstand, baute man eine eigene Pfarrkirche in unmittelbarer Nähe und gab ihr den Namen „Marienkirche“. 

Auch dieser Kirche drohte damals dasselbe Schicksal wie der Michaelskirche. Das Kloster Wadgassen stellte 1292 den Gottesdienst ein. Doch die Kleinbockenheimer beschwerten sich beim Leininger Grafen – mit Erfolg. Zwei Jahre später musste das Kloster versprechen, die Kirche in Schuss zu halten und dort regelmäßig Gottesdienste anzubieten.

Doch der Streit dauerte noch viel länger. 1501 gab es eine große Gerichtsverhandlung gegen das Kloster, das sich offenbar nicht an die Vereinbarung gehalten hat, wie aus den Urkunden hervorgeht. Von Seiten der Kirche wird die Kleinbockenheimer Pfarrkirche nur noch als „Marienkapelle auf dem Friedhof“ bezeichnet. In der Bevölkerung wird die Bruderschaft „Unser Frauen Dienst“ gegründet, die sich auf die Fahne geschrieben hat, den Gottesdienst in der Marienkirche zu erhalten.

1560 wird in Bockenheim die Reformation eingeführt. Damit gab es auch keine Verpflichtung mehr seitens des Klosters Wadgassen, dort Gottesdienste abzuhalten und die Kirche zu erhalten. Die lutherische Kirchenverwaltung hatte auch kein Geld, die alte Pfarrkirche zu erhalten. So fristete sie ein Dasein als Friedhofskapelle, bis sie 1833 schließlich nahezu ganz aus dem Ortsbild verschwand. Lediglich ihr Turm steht noch – und wird heute als Kirchturm der Martinskirche wahrgenommen. Die Glocken der Marienkirche rufen heute zu den Gottesdiensten in der Martinskirche. Wer genau hinschaut, kann am Turm noch erkennen, dass an dieser Stelle einst eine Kirche gestanden hat. Von der Michaelskirche fehlt heute jede Spur.

Die einstige Hartung-Orgel in der Martinskirche von 1710 wurde 1813 mit historischer Substanz wiederhergestellt durch die Gebrüder Stumm. 1967 hat die Firma Oberlinger das Instrument umgebaut. Sie hat zwölf Register auf einem Manuel und mechanische Schleifladen.

×